Frequently Asked Questions

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Christoph Schlingensief realisierte vorige Woche im Burgtheater seine Installation „Area 7“. Zurück blieb ein Haufen Fragen. Die am häufigsten gestellten werden hier beantwortet.

Wolfgang Kralicek

Wenn der Theaterkritiker innerhalb einer Woche von mindestens einem Dutzend Bekannten nach einer bestimmten Aufführung gefragt wird, weiß er, dass es sich um keine ganz gewöhnliche Aufführung handeln kann. Christoph Schlingensief hat es also wieder einmal geschafft: Sein jüngstes Burgtheaterprojekt „Area 7“ war vergangene Woche talk of the town. Sie wollen wissen, ob Sie sich die „Matthäusexpedition“ (Untertitel) noch anschauen sollen? Sie waren schon dort und haben noch Fragen? Sie wollen einfach nur wissen, wie’s war? Der Falter hat die Antworten auf Ihre drängendsten Fragen. Zumindest tut er so.

Wie war’s? Die häufigste und zugleich kniffligste Frage. Schlingensief-Arbeiten lassen sich längst nicht mehr nach Kategorien wie „gut“ oder „schlecht“ beurteilen. Sie sind, und man muss mit ihnen leben (oder eben nicht). In den Erklärungen zu seiner Burgtheaterinstallation „Area 7“ hat Schlingensief immer wieder das Bild einer Schlange bemüht, die sich nicht in den Schwanz beißt, sondern in ihr eigenes Arschloch kriecht und beim Mund wieder herauskommt. Die Metapher trifft das Phänomen Schlingensief ziemlich genau: Wir haben es mit einem geschlossenen System zu tun, mit einem Perpetuum mobile, das sich aus sich selbst heraus immer wieder neu erschafft. Ein Perpetuum mobile aber ist bekanntlich zum Scheitern verurteilt – von „Gelingen“ kann bei Schlingensief also keine Rede sein. Darum geht’s nicht.

Worum geht’s eigentlich? Gute Frage, seeehr gute Frage. Zitat aus der Aufführung: „Es geht darum, sich zur eigenen Scheiße zu bekennen.“ So kann man’s auch sagen. Die Bibel würde es ein bisschen anders formulieren, aber dasselbe meinen. Das gilt auch für Johann Sebastian Bach und Richard Wagner, Elfriede Jelinek und Joseph Beuys, um nur ein paar Künstler zu nennen, die in „Area 7“ zitiert werden. Kurz gesagt: Es geht um die Angst vorm Sterben und die Sehnsucht nach Erlösung. Also eh um das Übliche.

Wie ernst meint es Schlingensief? Die Antwort auf die wahrscheinlich beste Frage kennt – wenn überhaupt – nur Schlingensief selbst. Natürlich ist „Area 7“ zum Teil ein kunsthistorischer Ulk: Schlechte Doubles von Joseph Beuys, Andy Warhol, Hermann Nitsch und Jonathan Meese laufen herum, an jeder Ecke gibt es billige Kopien ihrer Kunst zu sehen. Zugleich aber lässt sich die Persiflage auch als Hommage verstehen. Schlingensiefs gesamtes Werk lebt davon, dass Pathos und Parodie einander aufheben. Nur so ein Verdacht: Im Zweifelsfall meint er’s ernster als man denkt.

Ist Schlingensief ein Scharlatan? Blöde Frage.

Ist das überhaupt ein Theaterabend? Auf den ersten Blick: nein. Hauptdarsteller ist eine gigantische, mit Objekten, Bildern und Bedeutungen angefüllte Installation, die sich über Zuschauerraum und Bühne erstreckt; die Schauspielerinnen und Schauspieler spielen eher periphere Rollen. Die szenischen Elemente im Rahmenprogramm sind ganz witzig, sehen aber ein bisschen nach Pflichtübung aus (irgendwas muss
im Theater ja „passieren“); Schlingensief selbst agiert ungewohnt zurückhaltend. Im Unterschied zu den öffentlichen Probeläufen hatte die „Premiere“ allerdings annähernd den Charakter einer Aufführung. Immerhin gibt es einen Anfang und ein Ende, das erste und das letzte
Wort haben Elfriede Jelinek (auf Video) und die „Matthäuspassion“ (aus dem Lautsprecher): Der Effekt wirkt einerseits etwas billig (mein Gott, die „Matthäuspassion“ funktioniert immer irgendwie), ist in Kombination mit Jelineks Text (Zitat: „Es heißt, der Mensch muss leiden, und zwar, weil er es kann“) aber überraschend wirkungsvoll. Also doch Theater, irgendwie.

Was hat das im Burgtheater verloren? Die Frage ist berechtigt. Natürlich könnte „Area 7“ auch in einem Museum oder einer Kunsthalle stattfinden, dann gäb’s auch nicht so ein Gedränge. Andererseits ist gerade das eine Qualität der Arbeit: Dadurch, dass man die Installation nur kommentiert und unter Zeitdruck betrachten kann, wird die Führung zur Inszenierung. In den ausführlichen, zum Teil abstrusen Kommentaren der Führer formuliert Schlingensief seine „Message“ und persifliert zugleich – auch selbstironisch – eine Kunst, die nur noch in ihrem „Kontext“ zu verstehen ist. In einem „neutralen“ Kunstraum würde das so nicht funktionieren. Man könnte die Frage also auch umdrehen und sich bei mancher „performativen Installation“ fragen, was sie in einem Museum verloren hat.

War Patti Smith wirklich da? Ja. Man weiß aber nicht recht, warum. Die New Yorker Punklegende lächelte freundlich, schwärmte über die „Börg“ und sang auf der Feststiege – begleitet von einer Cellistin! – ein paar Songs. Zur Begrüßung sagte sie: „Enter with an open heart, and you will exit happy!“ Ganz so hippiemäßig hat Schlingensief „Area 7“ wahrscheinlich nicht gemeint. Aber man kann es offenbar so sehen.

Wann kommt „Area 7“ wieder? Weitere „Aufführungen“ sind im März und im Mai geplant; genaue Termine stehen noch nicht fest. Weil man ohnedies selten auf seinem Platz sitzt, sondern sich in der Installation bewegt, kann man übrigens ruhig die billigen Karten kaufen. Im Burgtheater überlegt man für die nächste Spielserie ein anderes Preissystem – sinnvoll wär’s.

„Falter“ Nr. 4/06 vom 25.01.2006 Seite: 60; Ressort: Kultur