Montag war erstmals die gesamte Installation aufgebaut, mit der der deutsche Theater- und Filmemacher Schlingensief die Burg bespielt
Von N.N.
„AERA 7“ erwies sich als den Zuschauerraum ebenso wie die Bühne umfassende Jahrmarktssituation, bei der sich vieles ringelspielartig bewegt und tausend zunächst undurchschaubare Dinge passieren. Schlingensief schilderte bei einem nachmittäglichen Pressegespräch den „Glücksmoment“, als er gemeinsam mit Josef Hader das bunte Treiben vom Balkon aus quasi aus Vogelnest-Perspektive beobachtete: „Man kann das Ganze innerhalb kürzester Zeit mit einer Dampfwalze platt machen!“
Daran ist aber vorläufig nicht gedacht, im Gegenteil. Morgen werden erstmals Zuschauer zugelassen, und für die geplanten Vorstellungen im März und Mai überlegt man, noch mehr vom Theatererlebnis hin zur Ausstellung zu gehen: „Vielleicht kann ich die Leute an der Burg überzeugen, dann schon um 12.00 Uhr aufzumachen, die Eintrittspreise runterzufahren und den Menschen die Möglichkeit zu geben, beim Einkauf einmal kurz vorbeizuschauen“, hofft der Gesamtkünstler, der mit „AERA 7“ die Grenzen des Burgtheaters noch radikaler auslotet als in seiner „Bambiland“-Inszenierung, sich aber erfreut zeigte, dass Intendant Klaus Bachler alle Entwicklungen des Projekts erlaubte: „Das ist ein sehr schneller und offener Betrieb hier.“
„Es ist eine Herausforderung an den Betrieb“, gab Dramaturg Joachim Lux unumwunden zu, „als ob man im Intercity nach Budapest fährt, und plötzlich zieht Schlingensief die Notbremse und sagt: Wir fahren nach Mailand!“ Der Abend habe sich immer mehr in Richtung Bildender Kunst verschoben, meinte Lux. „Wir hoffen, dass es auch für die Besucher spannend ist, dass die Erwartung nicht erfüllt wird.“
Eine Vielzahl von künstlerischen und wissenschaftlichen Konnotationen und Querverweisen – von Schrödingers Katze bis zu Beuys‘ Hasen – durchziehen die „Animatograph“ genannte Installation, die einen ihrer Ausgangspunkte in Schlingensiefs Bayreuth-Inszenierung hat und seither in Etappen auf Island, Neuhardenberg und Namibia immer wieder Veränderungen und neue Bedeutungsebenen erfahren hat. Die Matthäus-Passion ist nur noch rudimentär im Kontext vorhanden, Bach überhaupt nicht.
Schlingensief wird zu Beginn anhand eines Lageplans einen Überblick geben, möchte die Zuschauer danach aber mit ihren Erfahrungen alleine lassen: „Pädagogik ist mir fremd“, versicherte der Gesamtkünstler und schilderte von den Erfahrungen des probeweisen Besuchs zweier Schulklassen: „Die haben sehr verschieden reagiert, ein paar Schüler sind dabei verschwunden und mussten nachher gesucht werden.“
Sich verlieren und wiederfinden (oder wiedergefunden werden) – das scheint die Idealvorstellung jenes Prozesses zu sein, den Schlingensief in Gang bringen will, Verschwinden statt Erlösen lautet die Devise. Daran arbeiten rund 60, 70 Menschen hinter der Bühne und rund 15 Leute (inklusive Patti Smith, die sich mit Gitarre, Klarinette und Polaroid-Kamera am Geschehen beteiligen wird) in der Installation selbst. „Das Bild bewegt sich, der Mensch bewegt sich, die Bedeutung bewegt sich“, sagt Schlingensief.
Und wer wirklich verloren geht, wem sich die „Formeln zur Selbstentschlüsselung des Menschen“ nicht erschließen, dem bleibt immer noch das in den Animatographen eingebaute Info-Telefon: „Hier kann man während der Vorstellung anrufen!“ Immerhin bleibt die Gewissheit, selbst Teil eines Kunstwerks geworden zu sein: „Jeder gibt seine Bildrechte ab, wird beobachtet und gefilmt.“ Dieses Material soll später selbst wieder Teil einer Installation werden.