Eigentlich waren nachtkritik.de und ich uns sehr skeptisch gegenüber. Noch vor einem Jahr gab es da die Kolonialvorwürfe mit über 280 seiten… Und dann noch die faule Berichterstattung zum Zürichabend, und nun lese ich hier eine schon allein deshalb interessante Kritik, weil sie neben einer guten Beschreibung vor allem gute Assosziationen einbringt und die Diskussion dadurch positiv befeuert. Auch die Kunst-und Lebensbefragung meinerseits, meine eigene merkwuerdige Flucht aus dem Abend sind wichtige Indizien, dass hier ein Kritiker den Prozess von Intolleranza von Nono und seiner Distanzierung davon (ich glaube es muss 1978 gewesen sein) nimmt und meine Angst und Faszination für solch eine Zusammenarbeit zwischen schwarz und weiss sieht und mitgeht. (Die Methoden sind nicht zu jeder Jahreszeit dieselben!) Bei allen lustigen und ironischen, parodistischen Dingen in diesem Abend, steht ein grosses, und mit Angst aufgeladenes Risiko im Raum, das auch die Brüsseler Zuschauer gespürt haben. Diesen inneren Kampf öffentlich zu machen ist und bleibt ein Hauptwerkzeug den Dingen naeherzukommen. Anderes gelingt mir nur selten… Und aus diesem noch ständig wachsenden Gärprozess einfach ein Theaterstück oder eine Partitur zu erstellen, ist doch der Tod für dieses ständig sich verändernde Thema. Als hätte ich schon zu Beginn von „Via Intolleranza“ an dieses Unbehagen gedacht… So verschlusstechnisch zu denken, ist das Ende des Musiktheaters! Das ist bequemer und dekadenter Blödsinn, um sich dem eigenen Zweifel zu entziehen. Und die letzte Stärke modernen Musiktheaters ist es doch, an der Darstellung von Sinnvollem zu zweifeln! Und dennoch dafür zu kämpfen. Joneleith ist für mich nicht unbedingt der Inbegriff von Emotion, aber das heisst doch nicht, dass er nicht doch für die Wiedereinführung von Gefühlen nach Adorno eintritt. Frage mich nur, ob dafür immer gleich die freigeräumten Inselchen für „andersmachende“ notwendig ist. – Christoph Schlingensief
WORK IN PROGRESS DER BEWUSSTSEINSWERDUNG
Via Intolleranza II – Nono, Voodoo, gecastete Afrikaner und Christoph Schlingensief in einer Kunst- und Lebensbefragung
von Guido Rademachers
Brüssel, 15. Mai 2010. „Die Produktion stand unter einem schlechten Stern.“ Die Dame im aparten Kostüm, die sich als Theaterbeauftragte des Goethe-Instituts in Brüssel vorstellt und die Schauspielerin Brigitte Cuvelier ist, schildert ein Proben-Horrorszenario. Während Vulkan Eyjafjallajökull ausbrach, sei Christoph Schlingensief zusammengebrochen, ist auf Deutsch mit stark französischem Akzent zu hören. Hinter dem Sperrholzrednerpult, das auf die Vorbühne der Koninklijke Vlaamse Schouwburg gestellt wurde, geht es Schlag auf Schlag weiter.
Die sechs in Burkina Faso gecasteten Performer, darunter ein Taxifahrer, eine Hebamme und die bildhübsche Kandy, die gerade einen Professor aus Frankreich geheiratet hat, also „Menschen wie du und ich“, hätten zwei Wochen mit ihren Dritte-Klasse-Tickets festgesessen. Zudem sei Dramaturg Carl Hegemann wegen des Buches seiner Tochter völlig fertig gewesen, der Bühnenbildner Thomas Goerge in Burkina Faso lebensgefährlich an Ruhr erkrankt. Nur acht Tage Probezeit in Berlin. Und der schwer krebskranke Schlingensief ließ vor Stunden per E-Mail mitteilen, dass er nicht mehr könne: Am besten, Stefan übernehme seine Moderation. Absolute Stille im Zuschauerraum.
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