DIANA II – SCHLINGENSIEF IN LONDON (KÖLNER STADTANZEIGER)

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In der Galerie „The Warehouse“ wird Christoph Schlingensief am Dienstagabend, 10.10.06, einen Vortrag halten und ebendort den „Diana-Schrein“, einen „transportablen Altar“, ausstellen

Von Georg Imdahl

Plötzlich wollte in London niemand mehr irgendetwas wissen von den geplanten und wieder abgesagten Aktivitäten Christoph Schlingensiefs auf der Messe für Gegenwartskunst Frieze Art Fair, die am Mittwoch zum vierten Mal eröffnet wird. Im Außenraum hatte Schlingensief eine Skulptur mit dem unpoetischen Titel „60 % des Schrottwagens“ zeigen wollen. Diese rührt naturgemäß an einen empfindlichen Nerv des ehemaligen Empire: Verarbeitet habe er, so der Berliner Theater-, Film- und Performancekünstler gegenüber dieser Zeitung, originale Überreste jenes Mercedes-Benz, in dem 1997 die gehetzte Lady Di mit ihrem Liebhaber zu Tode kam. Schlingensief hat das Wrack der Limousine mit farbigen Materialien verfremdet, allerdings nur soweit, dass dahinter noch ein „fast sachlicher Block“ erkennbar geblieben ist, wie er ihn beschreibt. Tatsächlich lässt sich auf einem Bild aus dem Büro Schlingensief kaum mehr als ein farbiger Klumpen erkennen. An dem vorgesehenen Standort, dem altehrwürdigen Regent’s Park, wo die Erfolgsmesse in einem temporären Zelt veranstaltet wird, ist der Präsentation des Kunstwracks die Zustimmung verweigert worden. Der Park unterliegt der Verwaltung der britischen Krone, die – wie nicht anders zu erwarten – ein Veto eingelegt hat.

Diana II Flyer

Die Angelegenheit wird in London offenbar als heikel angesehen – keiner will sich dazu öffentlich äußern. Eine Sprecherin der Messe wollte gestern auf Anfrage nicht einmal einräumen, dass Schlingensiefs Plänen eine Absage erteilt worden sei. All dies, so ließ sie verlauten, gehöre ins Reich von Gerücht und Fabel. Erstaunlich unwissend gab sich auch die renommierte Galerie Hauser & Wirth mit Sitz in London und in Zürich, die Schlingensief vertritt. Am eigenen Stand auf der Frieze sei er nicht vertreten, und was er während der Messe in der Stadt ansonsten zeigen wolle, sei völlig unbekannt, hieß es in Zürich, nachdem sich die Londoner Filiale als nicht zuständig erklärt hatte.

In der Galerie „The Warehouse“, so Schlingensief selbst, werde er am Dienstagabend einen Vortrag halten und ebendort anstelle des Wracks den „Diana-Schrein“ ausstellen, eine Art Reise-Altar mit drei Monitoren, der auf jüngste Arbeiten in Berlin zurückgehe, in denen er sich auch mit dem kürzlich verstorbenen Happening-Künstler Allan Kaprow auseinandergesetzt habe. Niemand in London habe seine Skulptur beanstandet, solange er die Namen der Insassen nicht preisgegeben hatte.

Weil es ihm nicht um einen lautstarken Skandal gehe, sondern um eine seriöse Recherche über „Relikte und Reliquien“ einer beispielhaften Person der Zeitgeschichte, beuge er sich der Ablehnung ohne weiteren Protest, sagt Schlingensief. Das demolierte Auto, das nach seinen Angaben drei Jahre lang in einem Pariser Container gelagert hatte und über Umwege in seinen Besitz gelangt sei, verbleibe nun bis auf weiteres in Berlin.

KStA, 7.10.06