„DAS BUCH IST EIN LEBENSZEICHEN“ (DAPD)

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Aino Laberenz veröffentlicht Autobiografie des vor zwei Jahren verstorbenen Regisseurs

Berlin (dapd). Bis kurz vor seinem Tod arbeitete Christoph Schlingensief an seiner Autobiografie. Seine Skizzen zu ordnen und zusammenzustellen, schaffte er aber nicht mehr. Im Alter von 49 Jahren starb der Künstler und Regisseur am 21. August 2010 an Lungenkrebs. Seine Witwe Aino Laberenz hat die Gedanken ihres Mannes nun zusammengestellt und in einem 300-seitigen Werk mit dem Titel „Ich weiß, ich war’s“ veröffentlicht.

Es ist ein Buch, aus dem Lebensfreude, Optimismus und Humor sprühen – trotz der tödlichen Krankheit. So manches Mal wird Schlingensiefs riesige Energie spürbar, wenn er beispielsweise von seinem Projekt des Operndorfes in Burkina Faso erzählt oder den Begegnungen mit der Wagner-Familie. Dass die Autobiografie auch zutiefst menschlich ist, liegt an den offenen Worten, mit denen Schlingensief seine „unglaubliche“ Angst vor dem Tod beschreibt. Diese stehen aber anders als bei seinem 2008 veröffentlichtem Krebstagebuch „So schön wie hier kann’s im Himmel gar nicht sein“ nicht im Vordergrund. Das Buch solle kein Mausoleum sein, schreibt Laberenz im Vorwort. „Es ist ein Lebenszeichen.“

Knutschen mit Tilda Swinton

Schlingensief erzählt von seiner Kindheit in Oberhausen, davon, dass er sich mit zu großer Nase und abstehenden Ohren hässlich fand. Er erzählt von seinem Künstlerleben in Berlin, seinem Abstecher nach München, von seiner Faszination für die Kameratechnik, von seiner Partei Chance 2000. Er erzählt von einer Knutscherei mit Tilda Swinton, einer überraschenden Zusammenkunft mit Isabella Rossellini und einem Treffen mit Luc Bondy bei den Wiener Festwochen. Er erzählt von den Problemen, seinen Eltern seine Kunst näher zu bringen, von der Arbeit mit Behinderten – und von der Liebe zu seinem Beruf und seinen Projekten.

Auch eine seiner Energiequellen wird offenbar: Die Unzufriedenheit mit dem Land, in dem er lebte: „Ich finde, dieses Deutschland ist eine unglaublich selbstbetrügerische Veranstaltung. Es hat sich gegen sich selbst gewandt, es ist voller Selbsthass“, schreibt er. Richtige Lust und Freude seien jedenfalls in diesem Land Mangelware, meint er später. Mit dem Auskosten von Freude hatte er aber auch selbst Probleme: „Wenn ich dachte, jetzt werde ich nur noch gelobt und geliebt, musste ich das sofort brachial zerstören. Wie aus einem Zwang heraus.“

Sichtbar wird aber auch seine eigene Verletzlichkeit. Die häufig geäußerten Behauptungen, er wolle mit seinen Aktionen nur provozieren oder sich nur selbst produzieren, hätten ihm „verdammt“ weh getan, schreibt er. Dies seien bösartige Unterstellungen. Theater dürfe nicht immer nur gespielter Wahnsinn, sondern müsse auch mal gelebter Wahnsinn sein. Kunst sei für ihn nur interessant, wenn sie auf das Leben bezogen sei, wenn sie an der Trennung von Kunst und Leben kratze.

Laberenz: „Es gab schmerzhafte Momente“

Den Titel „Ich weiß, ich war’s“ habe ihr Mann selbst gewählt, sagte Laberenz in einem dapd-Interview. „Sein Ego kommt darin zum Ausdruck, sein Bekenntnis zu sich selbst. Gleichzeitig stelle ich mir dabei sein schelmisches Grinsen vor. Ich mag diese Kombination“, erklärte die 31-jährige Kostümbildnerin.

Die Fertigstellung des Buches sei nicht einfach gewesen.“ Es gab extrem schmerzhafte Momente, und die gibt es immer noch. Weil da einfach eine große Lücke ist“, sagte Laberenz. Aber es gebe auch vieles, über das sie mit ihm lache. „Christophs Humor ist für mich immer noch unschlagbar, da kann ich sehr fröhlich an ihn denken. Ich hatte das schöne Gefühl, dass das Buch seine Gedanken freilassen und sie anderen zugänglich machen wird.“

„Ich weiß, ich war’s“ erscheint am Montag (8. Oktober) bei Kiepenheuer & Witsch. Es kostet 19,99 Euro.

Quelle: dapd vom 08.10.2012