KATZENMUSIK FÜR EINEN BAUM (FAZ)

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Patti Smith und Christoph Schlingensief feiern ihre Freundschaft in München. In der Galerie Sonja Junkers hängen Fotografien der Rock-Ikone und des umtriebigen Künstlers.

Patti Smith & Christoph Schlingensief

Von Brita Sachs, München

Mit donnernder Stimme platzt der Afrikaner in den kleinen Galerieraum und bahnt sich mit zwei Mitstreitern eine Schneise durch die heringsdicht gedrängte Menge. Die befindet sich gerade noch in anbetender Schockstarre; denn eben erst hat Patti Smith die Galerie betreten und Christoph Schlingensief, die amerikanische Rock-Poetin und der Hansdampf des Kulturbetriebs.

Die Donnerstimme gehört Issouf Kienou, der nun erklärt, man sei mit Schlingensiefs Opernensemble aus Burkina Faso nach München gekommen und werde jetzt zur Feier der Kunstausstellung von „Christoph und Patti“ Musik machen. Dann legen die drei Afrikaner los, dass der Schwabinger Hinterhof wackelt. Am Abend vorher hatten sie mit Schlingensiefs „Remdoogo-Via Intolleranza II“ die Münchner Opernfestspiele eröffnet; die Inszenierung ist das erste Projekt aus dem Operndorf Remdoogo, das Schlingensief gerade in der Nähe von Ouagadougou aus dem Boden stampft. Anlässlich dieser Premiere zeigt die Galerie Sonja Junkers Filme und Fotos von Schlingensief und Patti Smith.

Patti Smith & Christoph Schlingensief

Die beiden lernten sich 2005 in Bayreuth kennen, als die Musikerin für die Wochenzeitung „Die Zeit“ eine Besprechung von Schlingensiefs „Parsifal“-Inszenierung schrieb. Noch im selben Jahr besuchte sie den neuen Freund in der Namib-Wüste, wo er „The African Twintowers“ drehte, ein experimentelles Film-Patchwork zu Afrika und zu Richard Wagner, über nordische Asen und schwarze Schamanen, mit Patti-Smith-Musik und Elfriede-Jelinek-Texten. Dies, wie Schlingensief es mal nannte, „Bekenntnis zum verlorenen roten Faden“ schwoll auf achtzehn DVD an; auszugsweise läuft es in der Galerie („The African Twintowers“, Kassette mit 18 DVD, Auflage 5 plus 2 Artist Proofs, 7500 Euro; einzeln je 900 Euro. Die gleichnamige Mappe mit zehn Farbabzügen kostet 2500 Euro).

Patti Smith strich im schwarzen Mantel am Wüsten-Set herum. Ein anrührendes Foto zeigt die Windzerzauste mit der Klarinette vor einem Baum: Sie spiele für diesen Baum, soll sie gescherzt haben, weil sie in New Yorker Bars mit ihrer Klarinette nicht mehr auftreten könne, man sage nämlich, ihr Spiel würde Katzen morden. Aber sie hatte auch ihre uralte Polaroid-Kamera bei sich, fotografierte den Tausendsassa Schlingensief im Odins-Outfit, oder wie er sich aus einem Pinguinkostüm befreit, in dem er eine Weile durch die Hitze gewatschelt war.

Patti Smith & Christoph Schlingensief

Auch beim Aufräumen sieht man ihn oder durch eine Jalousie lunzen. „Dear Christoph, Here are a few souvenirs of our days our friendship on earth and in the stratosphere of love and memory“ hat Patti Smith auf die Galeriewand gekrakelt und hängte zu den Fotos aus Namibia weitere ihrer absichtsvoll beiläufigen Aufnahmen, die sie für den Freund passend fand: Hesses Schreibmaschine, Wittgensteins Grab, einen toten Hasen oder ein Porträt von Jean-Luc Godard, in dessen jüngstem OEuvre „Film Socialism“ sie mitwirkt. (Die schwarzweißen Polaroids kosten, abfotografiert und als Silbergelatineprints vergrößert, je 2000 Euro; Auflage 3 plus 2 AP.)

Zwei Seelenverwandte im Gespräch

Die langweilige, aber derzeit wieder diskutierte Frage, ob Schlingensief bildender Künstler genug sei, um hehre Orte wie, im nächsten Jahr, den deutschen Pavillon der Venedig-Biennale bespielen zu dürfen, haben längst Häuser beantwortet, die performative Ausrichtungen fördern. Das Münchner Haus der Kunst zum Beispiel – dort baute Schlingensief 2007 um eine Filminstallation herum eine Art gigantischen Karnevalswagen, mit einer Abendmahlszene mit Mohammed.

Ein Jahr später diskutierte er am selben Ort mit seiner Seelenverwandten Patti Smith über „Art and Religion“, die wiederum zeigte dort ihre Zeichnungen, gab Konzerte. Geholt hatte beide Chris Dercon, der Direktor des Hauses und mit einem Kunstverständnis gesegnet, das offensichtlich auf seine Lebensgefährtin Sonja Junkers abfärbt. Wenn Dercon im kommenden Frühjahr an die Tate Modern wechselt, wird auch die erst kürzlich eröffnete Galerie Sonja Junkers nach London umziehen, schade für München.

Bis 18. September. Galerie Sonja Junkers, München.

www.sonjajunkers.com

Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12.7.2010
Bildmaterial: Aino Laberenz, Sonja Junkers