EINDRINGLICHE PLAUDEREI

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Christoph Schlingensief stellt in Bochum sein Afrika-Projekt vor

Von Alexander Kruse

Mit großem Applaus und zahlreichen Spenden bedankte sich das Publikum am Dienstag bei Christoph Schlingensief für seine Benefiz-Lesung in den Bochumer Kammerspielen. Dort sollte der Filmemacher und Theaterregisseur eigentlich aus seinem Buch „So schön wie hier kanns im Himmel gar nicht sein“ lesen. Schlingensief ließ jedoch das Buch beiseite und erzählte lieber – von seiner Krebserkrankung, dem geplanten Festspielhaus für Afrika und seiner gescheiterten Intendanz am Schauspielhaus Bochum.

„Eigentlich gilt für mich in Bochum Einreiseverbot, aber ich habe die Polizeiabsperrungen einfach durchbrochen“, leitet Christoph Schlingensief den Abend ein und feuert damit eine erste kleine Spitze gegen Bochums Kulturdezernent Michael Townsend. Der ließ Schlingensief im vergangenen Jahr über die Zeitung erfahren, dass seine Bewerbung um die Intendanz am Schauspielhaus abgelehnt wurde – ein mehr als unrühmliches Kapitel in der jüngeren Bochumer Stadtgeschichte. „Aber auch Kulturdezernenten können abgewählt werden“, lässt Schlingensief wissen. Das Publikum applaudiert.
Mit einer Stegreifkomik, die man einem Harald Schmidt nur wünschen kann, startet Schlingensief in den ausverkauften Kammerspielen einen epischen Parforceritt durch die eigene Biographie, flankiert von den beiden großen Themen Krebserkrankung und Festspielhaus für Afrika. Die Zuschauer staunen und jubeln über einen Mann, bei dem man zu jeder Zeit das Gefühl hat, dass er wirklich etwas zu sagen hat.
Eindringlich und beinahe atemlos redet sich Schlingensief durch den dreistündigen Abend. Neben großartig pointierten Anekdoten aus seinem Leben erfährt das Publikum, dass es dem Filmemacher gesundheitlich besser geht, er aber noch von Ängsten und Depressionen geplagt wird. Mit kurzen Filmen erinnert er an Werke und Projekte seines künstlerischen Schaffens wie „Das deutsche Kettensägenmassaker“, „The African Twintowers“ oder das in Wien inszenierte Big-Brother-Spiel „Bitte liebt Österreich“. „Ein paar dieser Sachen würde ich heute nicht mehr so machen“, bekennt der schon lange nicht mehr als enfant terrible verschriene Künstler. Nacktheit auf der Theaterbühne ekele ihn mittlerweile an.

„Ich hätte dem Mann noch einmal drei Stunden zuhören können“

Sich selbst gibt Schlingensief in den Kammerspielen trotzdem die größtmögliche Blöße und Offenheit. Ein „Geht doch“, das Gudrun Wagner einst in Bayreuth gönnerhaft über ein Geschenk Schlingensiefs geäußert haben soll, ist bei dem seit kurzem verheirateten Regisseur zum geflügelten Wort nach dem ehelichen Sex geworden. Auch bei dieser Episode lauscht das Publikum keinem eitlen Selbstdarsteller, keiner von Profilneurosen getriebenen Rampensau, sondern einfach einem Menschen, dem man richtig gerne zuhört. Zumal die epischen Exkurse und wilden Assoziationsketten einzig dem Zweck dienen, immer wieder auf sein Afrika-Projekt zurückzukommen, für das Schlingensief mit seiner „Benefiz-Lesereise“ Spenden sammelt.
„Ich hätte dem Mann noch einmal drei Stunden zuhören können“, vernimmt man nach der Vorstellung an der Theaterbar, während Christoph Schlingensief im Foyer der Kammerspiele Bücher signiert und Anteilsscheine für das geplante Festspieldorf verkauft. Irgendwann an diesem Abend hatte er auf der Bühne den Halbsatz genuschelt „wenn ich hier bald Intendant bin…“ Man kann es dem Bochumer Schauspielhaus nur wünschen!


Infokasten:
Ein Festspielhaus für Afrika

• Christoph Schlingensief gründet in Burkina Faso ein Festspieldorf mit Schule, Musikschule, Filmklasse, Krankenstation, Pension, Restaurant und einem großen Festspielhaus
• Baubeginn ist im Januar 2010
• Das Haus soll eine Begegnungs- und Produktionsstätte für afrikanische und europäische Künstler werden und offen sein für alle Bevölkerungsgruppen
• Die Bauleitung liegt bei dem Architekten Francis Kéré, der für einen kleinen Schulbau in seinem Heimatort in Burkina Faso den höchstdotierten Architekturpreis der Welt, den Aga-Khan-Preis, erhielt
• Spenden für das Projekt gehen auf folgendes Konto: Deutsche Bank, Kontonummer: 11 28 578, BLZ: 100 701 24. Für eine Spendenquittung notieren Sie bitte Ihre vollständige Anschrift im Verwendungszweck
• Ab einer Spende von 50 Euro erhalten Sie ein Zertifikat über das von Ihnen unterstützte Baumodul
• Weitere Informationen unter www.festspielhaus-afrika.com

Quelle: Recklinghäuser Zeitung vom 26. November