„DIE ÄSTHETIK UNSERER TAGE HEIßT ERFOLG“ (DDP)

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Christoph Schlingensief zeigt in Berliner Volksbühne begehbare Installation «Kaprow City»

Von N.N.

Die Einladung zu Christoph Schlingensiefs neuem Theaterabend am Mittwoch in der Berliner Volksbühne las sich eher sperrig: Er wolle eine «animatographische Installation» vorstellen, darin den Tod von Prinzessin Diana thematisieren. Aufmerksamkeit erregte er vor allem mit einem Namen: Jenny Elvers-Elbertzhagen. Die blonde ehemalige Heidekönigin gilt als Garant für Aufmerksamkeit in der leichten Unterhaltung. Der Titel des Abends «Kaprow-City» zeigte an, wohin die Reise gehen sollte: Der amerikanische Happening-Künstler Allan Kaprow (1927-1996), in den 60er und 70er Jahren für seine Aktionen berühmt, stand Pate bei Schlingensief. »Die Ästhetik unserer Tage heißt Erfolg«, war das Credo Kaprows.

Wer allerdings wegen Elvers-Elbertzhagen als Lady Di gekommen war, der sah sich enttäuscht: «Sie ist ja nur in Videos zu sehen, gar nicht auf der Bühne», beklagte sich ein Zuschauer gleich nach der Aufführung in einem Fernsehinterview vor der Tür der Volksbühne. Nur bei der Vorstellung aller an der Installation beteiligten Schauspieler zeigte sich die Diva, mit blondem Kurzhaarschnitt und im elegant-schlichten schwarzen Etuikleid.

Vor dem Start des Happenings verteilte Regisseur Schlingensief höchstpersönlich sein Publikum: Ein Drittel wanderte in das «Karussell», ein Drittel nahm auf den Stühlen drumherum Platz, das andere Drittel verteilte sich im Zuschauerraum. «Jeder sieht nur einen Teil der Wahrheit, nie die ganze Geschichte», stimmte er sie ein. Wer in dem inneren, sich rasch drehenden Karussell gelandet war, der durchschritt im Minutenrhythmus kleine «Kunstkammern» mit skurrilen Anordnungen etwa von Hühnern und Kaninchen in Käfigen, einer britischen Königin Elisabeth, die aus dunklem Teig Hakenkreuze backt, einem Rollstuhlfahrer, der Zitronen für eine Diät auspresst und vielen toten Hasen, wie Schlingensief sie auch bei seiner Inszenierung von Richard Wagners Oper «Parsifal» bei den Bayreuther Festspielen benutzt.

Überhaupt Richard Wagner: Ihm und der Villa Wahnfried hat Schlingensief auch eine Szene seines Happenings gewidmet. «Hier, wo mein Wähnen Frieden fand, sei dieses Haus von mir benannt», prangt in handgemalten Lettern über der Wagner-Happening-Box. Auf einem Video ist ein kleiner Junge (Schlingensief?) zu sehen, der ehrfurchtsvoll vor einem Modell der Villa Wahnfried steht. Richard Wagner selbst trägt auf einem Gemälde eine Armbinde mit Hakenkreuz, und aus einem Video brüllt Adolf Hitler beständig «Parteitag».

In der Nacht zum 31. August 1997 starb die geschiedene Frau des britischen Thronfolgers, Lady Diana, bei einem Autounfall in Paris. An dieses Ereignis erinnert ein Raum mit einer Videoinstallation, in der der Zuschauer für einige Minuten Platz nehmen darf, bis ihn die vielen fleißigen Helfer von Regisseur Schlingensief in die nächste der zwölf Happening-Boxen geleiten. An der Wand eine Galerie mit entstellten, unbekannten Unfallopfern.

Jenny Elvers-Elbertzhagen als Lady Di ist in der berühmten Szene am Ausgang des Pariser Hotels Ritz in der Todesnacht immer und immer wieder zu sehen: Sie blickt um sich, wartet kurz auf ihren Partner Dodi Al Fayed und verlässt mit ihm gemeinsam das Hotel. Es sind die letzten Minuten vor Dianas Tod, wie heute jeder weiß. Der Tod der «Prinzessin der Herzen» beschäftigt Schlingensief schon seit längerer Zeit. In London will er nun einen Film drehen über ihre letzte Stunde vor dem Tod.

Schlingensief betrachtet seine Installation als im Kreis angeordnete Happenings, die einer Filmspule gleichen. Diese Spule besteht im Mittelpunkt ebenfalls aus einer begehbaren, wild mit Phallussymbolen und Totenköpfen geschmückten «Kathedrale», in der ein Schauspieler schreiend die Wahrheit einfordert.

Wer nach etwa 50 Minuten wilder Rundfahrt, die auch immer wieder am Regiepult eines sehr angespannt wirkenden Schlingensief vorbeiführt, das Rondell verlässt, kann noch im Zuschauerraum Platz nehmen, um dort diese Fahrt von außen zu betrachten oder aber die innen gezeigten Videoinstallationen auf großer Leinwand zu sehen.

Die Installation «Kaprow City», die jedes Mal etwas anders sein wird, wie Schlingensief verspricht, ist bis 16. September, und dann wieder im Oktober und November in Berlin zu sehen.

14.9.2006