WIE MAN MIT DEM PINSEL SPENDET (WELT)

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Eine Kunstauktion zugunsten von Christoph Schlingensiefs Afrika-Projekt

An die 80 Werke kommen in Berlin unter den Hammer. Von Marcus Woeller.

Gerhard Richter hätte ruhig einmal über seinen Schatten springen können. Gerade jetzt, da er mit einer Retrospektive in der Berliner Neuen Nationalgalerie zu seinem 80. Geburtstag geehrt wird. Doch er hat kein Bild beigesteuert zur „Auktion 3000“, einer Benefizversteigerung zugunsten des Operndorfs Remdoogo in Burkina Faso, dem letzten großen Projekt von Christoph Schlingensief. Hallt der Streit von 2010 etwa noch nach?

Auf die Ernennung Schlingensiefs als Künstler des Deutschen Pavillons auf der Biennale von Venedig hatte Richter damals gereizt reagiert: „Das ist ein Skandal. Die nehmen einen Performer, dabei haben wir Tausende Künstler.“ Schlingensief konnte seine Pläne für Venedig nicht mehr umsetzen, der Pavillon gewann in der Umsetzung der Kuratorin Susanne Gaensheimer dennoch den Goldenen Löwen – und der Niedergang der Malerei, den Richter wohl befürchtete, ist auch noch nicht besiegelt.

„Christoph Schlingensief interessierte sich weder für die Aufteilung in Kunstsparten, noch für die Auflösung dieser Sparten“, schreibt Chris Dercon, seit 2011 Direktor der Tate Modern und davor Direktor des Hauses der Kunst in München, im Auktionskatalog, „er ließ sich einfach nur nichts vorschreiben“. Insofern erscheint die Auswahl der Kunstwerke für die Versteigerung zunächst fast zu klassisch: Malerei, Grafik und Fotografie, Skulptur und Installation, Video und dokumentierte Performance. An die 80 Werke kommen unter den Hammer, der Erlös geht in voller Summe an die Festspielhaus Afrika GmbH, die Schlingensiefs Witwe Aino Laberenz als Vermächtnis ihres Mannes weiterführt.

Das persönlichste Exponat (Schätzpreis 8.000 Euro) kommt von der New Yorker Künstlerin, Sängerin und Performerin Patti Smith. Auf einer Holzplatte richtet sie ihre Worte direkt an Schlingensief: „Dear Christoph/off: Here are a few souvenirs of our days, our friendship on earth and in the stratosphere of love and memory.“ Die Idee zum Auktionsprojekt hat Laberenz gemeinsam mit Peter Raue, der als Auktionator fungiert, entwickelt. Der Rechtsanwalt und ehemals langjährige Vorsitzende des Vereins der Freunde der Nationalgalerie hatte Schlingensief nicht nur juristisch vertreten, sondern war auch eng mit ihm befreundet. Umso mehr freut es ihn nun, hochkarätige Künstler gefunden zu haben, um dieses Projekt zu unterstützen.

Die Liste der eingestellten Lose liest sich wie das Who’s who der zeitgenössischen Kunst, gespendet wurden die Werke nicht nur von den Künstlern oder ihren Galerien selbst, sondern auch von Privatsammlern. Von Hermann Nitsch, dessen Happeningkunst den Aktionen Schlingensiefs emotional sehr nahe steht, kommt ein blutrot triefendes Schüttbild von 1988 (Schätzpreis 15.000 Euro). Die Friedrich Christian Flick Collection stellt eine Gouache von Sigmar Polke aus dem Jahr 1987 zur Verfügung (Schätzpreis 35.000 Euro).

Der höchste Schätzwert wird mit 50.000 Euro für Eberhard Havekosts Ölgemälde „Glanz“ aus dem Jahr 2000 angegeben. Zunächst wurde im November die Schule in Burkina Faso eröffnet, an der 50 Kinder unterrichtet werden. Nun soll eine Krankenstation errichtet werden, Wohn- und Gästehäuser, Künstlerresidenzen, aber auch eine Solaranlage. Das Operndorf bedeutete für Schlingensief Entwicklungshilfe zur Selbsthilfe, gelebte Sozialplastik und eben nicht aus dem Geiste der Bevormundung durch westliche Überzeugungen. Die Auktion 3000 funktioniere auf gleiche Weise, so Chris Dercon, „es ist eine Transaktion zwischen denen, die etwas haben, und denen, die etwas anderes haben. Würden nur alle Schätzpreise erreicht, käme schon fast zusammen.

Quelle: WELT ONLINE vom 08.03.2012