EIN DORF ALS KUNSTPLATTFORM (DLR)

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Am 8. März werden in Berlin im „Hamburger Bahnhof“ zugunsten von Christoph Schlingensiefs „Operndorf Afrika“ Werke namhafter Künstler, wie Baselitz, Christo oder Eliasson, versteigert. Die vorgestellten Werke werden bis zum 4. März zu sehen sein: Der Wert ist auf eine Million Euro taxiert.

Von Jürgen König

Auf die Frage, was er mit seinem „Operndorf“ meine, sagte Christoph Schlingensief einmal, es ging ihm nicht um Arien und Sinfonieorchester, sondern darum, mit einem Dorf einen Organismus zu schaffen, der ein Eigenleben entwickelt, eine „Kunstplattform“ wird: als Basis für Kinder und Jugendliche und Erwachsene.

(c) Stefan Korte

Die Missverständlichkeit des Begriffes sei ihm willkommen: Sei eine Einladung, unsere Begriffe von Kultur, Kunst, Oper usw. neu „aufzuladen“, unsere Batterien seien da „ziemlich leer“. „Von Afrika lernen“: der Grundgedanke des Schlingensief’schen Operndorfes. Was früher auch belächelt wurde, nimmt langsam Gestalt an. Bis zum Festspielhaus als zentralem Bau ist es noch ein weiter Weg, aber die Schule ist fertig, seit Oktober wird unterrichtet. 50 Kinder lernen schreiben, lesen, rechnen, „Kunst“ steht täglich auf dem Stundenplan – und, wann immer es geht: Film.

Aino Laberenz, die Witwe Christoph Schlingensiefs und Geschäftsführerin des Operndorfes:

„Burkina Faso hat das größte Filmfestival von Westafrika und deswegen auch eine ziemlich große – also das war das, was Christoph natürlich auch extrem interessiert hat, er kommt selber aus dem Film, für ihn war das interessant. Burkina ist eben ein verdammt armes Land, hat aber eine irrsinnig große Kunstszene und Kulturszene und hat eben versucht, den Fokus weg von diesem „hungernden Kind“, sondern zu dem Schatz für ihn, den sie dort haben, wo man auch genau merkt, das ist der Anspruch an die Leute, dass sie sich eben nicht immer nur so runter reduziert gefühlt haben, sondern als ein Gegenüber auch gesehen haben.“

16 Häuser umfasst die Schule: mehrere Klassenräume, eine Lehrerwohnung, eine Kantine, ein Tonstudio, einen Filmraum. Rund 500.000 Euro an Spenden wurden dafür ausgegeben, als nächstes soll die Schule erweitert und eine Krankenanstalt gebaut werden. Zum deutschen Beirat des Operndorfes – einen weiteren Beirat gibt es in Burkina Faso – zum deutschen Beirat gehört auch Peter Raue, Rechtsanwalt, Kunstkenner, Kunstförderer und Auktionator bei der bevorstehenden „Auktion 3000“:

„Der Gedanke, dass wir mit dem Ergebnis der Auktion die Krankenanstalt als nächstes bauen können, die Schulerweiterung, denn es müssen ja jedes Jahr 50 neue Schülerinnen und Schüler kommen, ich hab die in der Unterrichtsstunde erlebt, da geht Ihnen einfach das Herz auf. Und das ist vielleicht auch das Besondere der Auktion, dass wir nicht sozusagen rundum gefragt haben: habt ihr ne Graphik für uns oder ein Bild?, sondern dass das alles Menschen, Künstler sind, die vom Werk … „Werk“ ist mir zu knapp, von der Sozialen Plastik, von der Christoph Schlingensief redete, überzeugt waren. Und das macht auch fast schon den Reiz aus, das ist nicht einfach irgendwo gesammelt, sondern das sind alles Menschen, die einen Bezug haben.“

Zum Beispiel die Sängerin Patti Smith. Von ihr lehnt eine Holzplatte an der Wand, groß wie eine Tür und strahlend weiß, darauf in der Mitte, mit der Hand geschrieben, Zeilen, die wie in einen Trichter hineinfallen, der Trichter ist ein Herz: „Dear Christoph, dear Christoph, dear Christoph, here are a few souvenirs of our days, our friendship on earth and in the stratosphere of love and memories.“

Von Günter Uecker ein dunkler Baumstamm wie ein Hals, oben ein Juteverband wie um einem Kopf herum, in diesen Kopf hineingeschlagen: die Uecker’schen Nägel, sehr viele, große, wuchtige, eisenschwarze Nägel, die Spitzen in den Kopf hineingetrieben. Von Andreas Gursky ein Foto eines alten weißen Gasherdes, einsam steht er in einer weiß gestrichenen Ecke einer alten Küche, Töpfe stehen nicht auf dem Herd, aber die drei Gasflammen brennen leuchtend blau.

Matthew Barney, Georg Baselitz, Christo und Jeanne- Claude, Olafur Eliasson, Carsten Nicolai, Sigmar Polke, Pipilotti Rist, Klaus Staeck, Robert Wilson – große Namen. Ihre Bilder, Zeichnungen, Collagen, Objekte drängen sich in zwei Räumen, nicht als Ausstellung gehängt, sondern für eine Versteigerung.

80 Arbeiten. Die von den Künstlern vorgegeben Preise addieren sich auf etwa 1.000.000 Euro; was die Versteigerung bringt, wird man sehen. Abgesehen von der Mehrwertsteuer wird kein Aufpreis erhoben, der „Hammerpreis“ geht in voller Höhe ins Operndorf nach Burkina Faso.

Das ist bitter nötig, denn abgesehen von einer Beteiligung des Goethe-Instituts gibt es keine öffentlichen Gelder, vielleicht auch deshalb nicht, meint Peter Raue, weil das Projekt deutschen Politikern schwer verständlich zu machen sei:

„Das ist kein Entwicklungshilfeprojekt. Der Satz von Christoph Schlingensief ‚Von Afrika lernen!‘, der ist ganz tief in meinem Herzen, weil das das Entscheidende ist. Irgendwer in Burkina Faso … hochrangiger deutscher Politiker, der hat uns gesagt: ‚Also ihr könnt die Schule doch nur betreiben, wenn ihr Lehrer aus Europa nehmt.‘, den haben wir angeschaut, als sei der nicht ganz bei Tro … genau das Gegenteil ist der Fall! Und es ist ein Projekt in Afrika für die Afrikaner. Und wir geben einfach nur die Basis, damit das sozusagen von alleine ‚laufen kann‘ ist zu unschön … ‚leben kann‘ ist das richtige Wort.“

Quelle: Deutschlandradio Kultur, Fazit, 23.2.2012.
Fotos: Stefan Korte