SCHLINGENSIEFS OPERNDORF IN AFRIKA: EIN »DORFGESPRÄCH« AM DEUTSCHEN PAVILLON

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Christoph Schlingensief hat leidenschaftlich seine Idee eines Operndorfes in Burkina Faso verfolgt. Er stellte es sich als „soziale Plastik“ vor, als Ort der Begegnung und des Austauschs. Das Goethe-Institut hat Schlingensief bei diesem Projekt von Anfang an unterstützt und engagiert sich auch weiter für dessen Aufbau. Im März hat es die Reihe „Dorfgespräche“ in Ouagadougou begonnen: Workshops und Diskussionen sowohl in Afrika als auch Europa sollen die Verwirklichung des Operndorfs durch kreative Impulse unterstützen und den inner-afrikanischen Austausch fördern. Am 2. Juni findet am Deutschen Pavillon nun das zweite Gespräch statt. Teilnehmen werden voraussichtlich Aino Laberenz, Susanne Gaensheimer, Francis Kéré, Chris Dercon und Simon Njami.

In der Nähe von Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, entsteht ein Operndorf – mit Schule, Krankenstation, einer Theaterbühne, einer Cafeteria und Unterkünften für die Künstler – gebaut um einen felsigen Hügel, von dem aus man einen weiten Blick über die trockene Savannenlandschaft hat. Mit großer Leidenschaft hat Christoph Schlingensief seine Idee eines Operndorfes in Afrika verfolgt. Er stellte es sich als „soziale Plastik“ vor, als Ort der Begegnung und des Austauschs, als Ort, der die Trennung zwischen Kunst und Leben aufhebt und auf die Bedürfnise vor Ort eingeht. Dabei hat Christoph Schlingensief seine Suche, seine Zweifel und seine Verzweiflung bei der Realisierung immer wieder thematisiert – zuletzt im Rahmen des Theaterstückes „Via Intolleranza II“, bei dem er mit Darstellern aus Burkina Faso zusammengearbeitet hat. Das Goethe-Institut hat Christoph Schlingensief bei diesem Projekt von Anfang an unterstützt. Nicht nur finanziell: Es hat ihn bei seiner Suche nach dem richtigen Ort durch Kamerun, Mosambik und Burkina Faso begleitet und Verbindungen zu Partnern wie dem Architekten Francis Kéré hergestellt. Diese Partnerschaft wird nun mit seiner Frau Aino Laberenz, seinen Freunden und Mitstreitern der Operndorf gGmbH fortgesetzt.

Schlingensief hat sich bei der Realisierung dieser Idee auch sehr stark mit der schwierigen Beziehung zwischen Europa und Afrika auseinandergesetzt, die durch neokoloniale Strukturen geprägt sind. Eine Diskussion, die auch für die Arbeit des Goethe-Instituts von großer Bedeutung ist: Wie kann man Kulturaustausch auf Augenhöhe betreiben, wenn ein Land abhängig ist von europäischen Subventionen? Wie kann man die eigenen Projektionen über den Anderen mit neuen Bildern verändern? Wie kann man Begegnungen zwischen Künstlern gestalten, in denen sich jeder als Lernender begreift? Und wie verändert sich eine Kunstform, wenn sie in einem gänzlich anderen Kontext gezeigt und rezipiert wird? Zum Kulturaustausch gehört immer auch die Fähigkeit, die eigenen Grundannahmen in Frage stellen zu können. Christoph Schlingensief hat uns wie kaum ein anderer Künstler damit konfrontiert, dass man es sich aufgrund Herkunft nicht zu bequem machen sollte.

Das Goethe-Institut veranstaltet seit März 2011 mit den „Dorfgesprächen“ eine Reihe von Workshops und öffentlichen Diskussionen, die den Entstehungsprozess des Operndorfes diskursiv begleiten: Gespräche, die sowohl in Afrika als auch in Europa stattfinden, um die unterschiedlichen Perspektiven und Interessen anzusprechen, die mit dem Operndorf in Verbindung gebracht werden. Gespräche, um Ideen zu postulieren, zu verwerfen und die vielen Widersprüche und Missverständnisse, die Bestandteil kultureller Begegnungen sind, zu reflektieren. Die Reihe soll die Verwirklichung des Operndorfs durch kreative Impulse und Interventionen unterstützen, wobei das Goethe-Institut seine Rolle darin sieht, Plattformen für den inner-afrikanischen Dialog zu schaffen. Langfristig sollen die Gespräche die Basis für zukünftige Kooperationen bilden, die mit Unterstützung des Goethe-Instituts im Rahmen von Bildungs- und Kunstprojekten im Operndorf stattfinden werden.

Begonnen wurde die Reihe Anfang März in Burkina Faso im Rahmen des afrikanischen Filmfestivals FESPACO durch Veranstaltungen mit Vertretern der burkinischen Kulturszene. Nun wird anlässlich der Eröffnung des Deutschen Pavillons in Venedig im internationalen Kunstkontext ein öffentliches Dorfgespräch stattfinden. Dort wo Schlingensiefs Werk präsent ist und das Operndorf als sein letztes großes Projekt und bedeutender Teil seines Schaffens thematisiert wird. Als Gesprächsteilnehmer sind u.a. angefragt der Architekt Francis Kéré, Schlingensiefs Frau Aino Laberenz, die Pavillon-Kuratorin Susanne Gaensheimer und der Kurator und Kunstkritiker Simon Njami. Grundsätzlich fördert das Goethe-Institut den Deutschen Pavillon 2011 auf der Biennale in Venedig mit einem substanziellen Betrag.

Veranstaltung: 2. Juni, 16 Uhr (tbc) am Seitenflügel des Deutschen Pavillons der Venedig-Biennale

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