Kolumne von Jürgen Stratmann
Schon am Freitag wurde ja mit “Metropolis” ein Klassiker von nahezu wagnererskem Überwältigungspotential wieder-erst-aufgeführt, ein Opus nicht nur über die Verderbtheit des modernen Kapitalismus, nein, auch ganz allgemein über Sünde und Schuld und Erlösung – zwar ohne Worte, aber dafür mit großem Orchester.
Wie eine Art Nachschlag klang dann die Ankündigung für heute Abend, quasi als Teil 2 der Reihe “Stumm-Film-Alpträume mit Musik”: Im finsteren Theaterturm des Hebbel-Theaters sollte der gut 100 Jahre alte Monumental-Stummfilm “L’Inferno” laufen, eine uralte Kino-Version von Dante Alighieris Höllentour – allerdings – präsentiert und kommentiert von Christoph Schlingensief. Und der hat nicht viel am Hut mit Klassiker-Verehrung – er fand die verkratzte Antiquität nur ….
“… unglaublich steif, unglaublich theatralisch, unglaublich lang – und unglaublich interessant!”
Nun hat Chrsitoph Schlingensief das Verwüsten von Klassikern nicht erst in Bayreuth gelernt, und seitdem er sein aggressives Lungenkrebsleiden mit der sinistren Sakral-Burleske “Kirche der Angst vor dem Fremden in mir” in Szene gesetzt hat, gilt er als Fachmann für artifizielle Horror-Poesie auf großer Bühne – und er hat auch keine Scheu, dem Dante-Stoff ein bisschen Bunters beizumischen…
“… also, ich sach mal so ungefähr, was so alles sein soll – ‘Apocalypse Now’, ‘Der Exorzist’, ‘Die 1o Gebote’, dann hab ich gedacht: ‘Die lustige Welt der Tiere’, ‘Die Verdammten von Visconti’, dann natürlich Grzimek – ‘Serengeti darf nicht sterben’ – naja, das reicht auch erst mal …”
Das Publikum tobt schon, bevor der Film überhaupt angefangen hat, und Christoph Schlingensief wirkt ein wenig wie eine Art Jaques Cousteau der modernen Höllenfahrt: Er taucht scherzend ab, denn er kennt sich aus in finsteren Tiefen …
“… mit dem Ende beschäftige ich mich immer öfter – und es geht beim Inferno natürlich um das Ende.”
Und apropos Ende – am Ende hat Christoph Schlingensief sein Publikum überzeugt:
“… Na ja, wenn was unterhaltsam ist, dann die Hölle!” (Gelächter)