„Kunst kennt keine Sieger“

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Anläßlich der Verleihung des Preises für Junge Künstler im Hamburger Bahnhof hat Christoph Schlingensief ein „Kunst-Abschaffungs-Manifest“ (Süddeutsche Zeitung) vorgetragen – und wurde von den Kunstschaffenden nicht verstanden.

von Gabriela Walde

Eine Preisvergabe lebt bekanntlich nicht nur von der Kunst, sondern vor allem von Skandälchen. Als eine schwarzgewandete Madonna herself 2001 den renommierten britischen Kunst-Award „Turner prize“ mit einem rotzigen „Right on, motherfuckers“ kommentierte, da surrten die TV-Kameras, überschlugen sich die Schlagzeilen und die Verleihung war in aller Munde.

Von derartiger Publikumswirksamkeit kann der „Preis der Nationalgalerie für junge Kunst“, der sich am britischen Vorbild mißt, einstweilen nur träumen. Vor allem nach der Blamage der Preisverleihung am Mittwoch abend. Dabei ist er mit immerhin 50 000 Euro höher dotiert als Turner.

Madonna kam zwar an diesem Abend nicht im Hamburger Bahnhof, dafür aber der Theaterschamane Christoph Schlingensief, der immer Schwung in die Bude bringt. Egal wie. Voraussetzung bei Einladung dieser Art ist, daß man weiß, daß man von ihm stets das bekommt, was man nicht erwartet.

So stieg er mit Wuselschopf und neuem Sakko brav aufs Podium, erklärt den Preis kurzerhand für ungültig, weil es „in der Kunst keine Sieger“ gibt, „die Kunst eh tot ist“, und das „leere Kanzleramt sowieso das größte Kunstwerk dieser Republik“ sei. Seine Performance, nur die wenigsten verstanden das. Die Laudatio wurde fortgesetzt von Staatsministerin Christina Weiss.

In diese Persiflage des Kunstbetriebes reiht sich die Siegerin Monica Bonvicini mit ihrer Arbeit „Never again“ ein. Zur Leistungsschau angetreten war sie zusammen mit John Bock, Angela Bulloch und Anri Sala. Allesamt Wahlberliner und auf dem internationalen Kunstparkett keine Unbekannten mehr.

In Bonvicinis raumfüllender Installation rasseln die Ketten gewaltig, das schwarze Leder schwingt. Eine Sado-Maso-Spielwiese, Ösen und andere Schlingen mögen da schwarze Sehnsüchte beflügeln. Jedem das seine. Knien, schaukeln, kretschen. Alle Positionen sind hier bei gnadenlosem Kunstlicht im musealen Darkroom des Hamburger Bahnhofs erlaubt. Doch die meisten Besucher stehen ein wenig ratlos davor – darf man oder darf man nicht? Wer hängt schon gerne im Museum an schwarzen Fußfesseln.

Die Künstlerin als Domina des Kunstbetriebs, der sich die Kunst einverleibt und nach Belieben wieder ausspuckt? Rituale regeln den Kunstbetrieb als Wirtschaftsfaktor, Abhängigkeiten die Verhältnisse: Auch die Kunst ist nur eine kleine Hure im großen eitlen Gesellschaftszirkus. Gibt es in der Kunst schlechten Geschmack? Will uns die 40jährige Italienerin, die in Berlin lebt, in Wien an der Akademie lehrt, dies alles sagen?

Die Ketten mögen zwar laut und cool klirren, doch das Versprechen wird nicht eingelöst. Die gute Frau ist selbst vitaler Teil der Szene, die sie ausstellt – und auch wunderbar bedient. Moncia Bonvicini hatte zu ihrem Sieg jedenfalls nur ein paar Worte zu sagen: „Let’s have a party!“ Die Party war dann auch das beste des Abends. Vielleicht klappt’s beim nächsten Mal besser.