O NAVIO FANTASMA DE CHRISTOPH SCHLINGENSIEF NA AMAZÔNIA

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O Navio Fantasma de Christoph Schlingensief na Amazônia – assimilação cultural – Deutsche Übersetzung des Artikels aus dem CONCERTO Magazin

Von Klaus Billand

10. Juni 2007 – Christoph Schlingensief, der deutsche Aktionskünstler, der seit seiner unkonventionellen Inszenierung von Richard Wagners Parsifal bei den Bayreuther Festsspielen 2004 für nicht enden wollende Kontroversen über die Grenzen des Wagnerschen Regietheaters sorgt, hat nun beim XI. Festival Amazonas de Opera (FAO) seine zweite Wagner-Oper inszeniert, den Fliegenden Holländer. Es war ein kulturelles Grossereignis nicht nur für Manaus. Die Wellen des gewaltigen Rio Negro schlugen diese exotische Neuigkeit bis in die Hochburgen des Opern-Mainstreams in Europa, wo die wichtigsten Kultursendungen im deutschsprachigen TV, Titel, Thesen, Temperamente; Kulturzeit und Lebens.art ausführlich berichteten. Es ist bedauerlich, dass diese Sendungen sowie die wichtigsten deutschen Zeitungen und Radiosender erst aus Anlass des Auftritts von Schlingensief ihre Korrespondenten nach Manaus entsandten, obwohl im Teatro Amazonas bereits seit 1997 das einzige grosse Opernfestival unter dem Äquator stattfindet und seitdem hier unter schwierigsten finanziellen Bedingungen ernsthafte künstlerische Arbeit geleistet wird. So wurde nun auch in Europa endlich weithin bekannt, dass man in Manaus 2005 die erste brasilianische Ring-Produktion zu Stande gebracht und gleich zweimal, wie in Bayreuth, zyklisch aufgeführt hatte. Damals war natürlich erwartet worden, den Ring am Amazonas mit Indianern und Urwald-Ästhetik à la Il Guarani von Carlos Gomes zu erleben, also unter Einbeziehung regionaler Natur- und Kulturelemente, Mythen und Sagen.

Genau das trat 2005 aber nicht ein. Erst Schlingensief brachte nun die überzeugende Assimilation des Holländer-Stoffes mit der Geschichte und Lebensweise, sowie den Traditionen, Mythen, Hoffnungen und Ängsten der hier lebenden Menschen schlüssig und überzeugend in sein künstlerisches Konzept ein. In seiner offenen und absorptiven Art tat er nach Ankunft in Brasilien und in den acht langen Wochen seines Aufenthalts in Manaus und Umgebung das für Ausländer genau Richtige: seinen eigenen kulturellen Ballast vergessen, Augen und Ohren öffnen, die Authentizität der Informationen aus allen Bevölkerungsschichten ungefiltert auf sich wirken lassen und nicht zuletzt das Umfeld mit seinen hier besonders vielen Facetten akribisch studieren. Dann bei der künstlerischen Arbeit den Mitwirkenden viel Spielraum für eigene Entfaltungsmöglichkeiten und ihre sprichwörtliche Improvisationskunst lassen. All dies verlangt ein Höchstmass an künstlerischer Sensibilität, sozialer Kompetenz und Einfühlungsvermögen, die für das Schaffen europäischer Opern-Regisseure in Brasilien nicht selbstverständlich sind, wenn sie sich denn überhaupt hierher verlieren. Schlingensiefs Lohn war – nach durchaus nennenswerten Anfangsschwierigkeiten – eine ungeahnte Mobilisation lokaler Kräfte und Motivation, bis hin zu einem selbst für Manaus beachtlichen Aufmarsch der Sambaschulen rund um den Holländer herum und sogar im Theater selbst. Er schaffte im Rahmen seines weit gefächerten Assoziationstheaters eine bemerkenswerte Symbiose des Holländer-Stoffes mit nationaler Volkskunst vom Samba in Rio über nationale und regionale Mythen und Rituale bis hin zu Boi Bumbá in Parintins. Trotz der erwartet unkonventionellen Lesart ist Schlingensiefs Holländer dabei stringenter und viel näher am Werk inszeniert als sein Bayreuther Parsifal. Es gelingt ihm und seinem Dramaturgen Matthias Pees, durch eine intensive Dramaturgie die Nummernhaftigkeit des Fliegenden Holländers nahezu vollständig aufzuheben. Damit nehmen sie im Prinzip das erst später von Wagner zu voller Reife geführte Konzept des Gesamtkunstwerks auf Regieebene vorweg. Mit dieser Integration der „Nummern“ in den hier besonders intensiv fortlaufenden Handlungsstrang ersetzt Schlingensief in seinem Holländer von Manaus gewissermaßen die in diesem Werk noch nicht vorhandene „endlose Melodie“ Wagners durch die „endlose Geschichte“…

Möge die nun in Manaus gelungene Assimilation europäischer Musiktheaterregie mit südamerikanischer Kultur auch eine „unendliche Geschichte“ werden. Christoph Schlingensief hat gezeigt, wie es gehen könnte. Beide Kulturräume könnten dabei viel gewinnen.

Klaus Billand é jornalista da revista austríaca „Der Neue Merker“, Viena (www.der-neue-merker.at)