AFRIKA FEIERT SEIN KINO (DW)

Veröffentlicht am Autor admin

Burkina Faso fiebert dem FESPACO entgegen: Das größte panafrikanische Filmfestival beginnt an diesem Samstag. Auch Sibylle Dahrendorfs „Knistern der Zeit – Christoph Schlingensief und sein Operndorf in Burkina Faso“ wird gezeigt.

Bänke und Stühle werden durch die Gegend gekarrt, ausländische Journalisten stapfen durch den roten Staub. In der Stadt gibt es nur noch ein Thema: das 23. FESPACO (Festival panafricain du cinéma et de la télévision). Seit Wochen fiebert die Hauptstadt Ouagadougou diesem Samstag (23.02.2013) entgegen – dem Moment, wo die Aufmerksamkeit der internationalen Filmwelt eine Woche lang nur ihr gehört. Zehntausende Besucher werden erwartet. In diesem Jahr feiert die Biennale außerdem einen neuen Rekord: So viele afrikanische Filme wie nie zuvor schafften es in die Vorauswahl – allein in der Sektion Spielfilm wurden 19 Streifen aus 14 afrikanischen Ländern nominiert. Bei der Vorstellung des Programms versprach Festival-Leiter Ardiouma Soma „eine Reise durch alle Widersprüche Afrikas: Das lachende Afrika, das weinende Afrika, das sich entwickelnde Afrika.“

Was die Menschen in Afrika bewegt

Mit dabei sind renommierte Regisseure wie Alain Gomis aus dem Senegal, der Mauretanier Abderrahmane Sissako und Mahamat Saleh Haroun aus dem Tschad. Zu den heiß gehandelten Kandidaten in der Sektion Spielfilm gehören drei Filme, die auch bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes zu sehen waren: „La Pirogue“ (Das Fischerboot) des Senegalesen Moussa Touré erzählt die dramatische Überfahrt eines Fischerboots von Senegal nach Spanien. In „Le Repenti“ (Der Reumütige) des algerischen Regisseurs Marzak Allouache geht es um einen ehemaligen Terroristen, der am Wiedereinstieg in sein normales Leben scheitert. „Les Chevaux de Dieu“ (Die Pferde Gottes) des Marrokaners Nabil Ayouch handelt von zwei Jungen, die von Islamisten manipuliert werden und sich als Selbstmordattentäter in den Tod schicken lassen.

Diesjähriges Gastland: Gabun

Besonders im Mittelpunkt steht Gabun als Gastland des FESPACO: Das westafrikanische Land hat den afrikanischen Film entscheidend mitgeprägt – jetzt erlebt es einen Neustart mit Henri Joseph Koumbas „Le collier du Makoko“, einer turbulenten Geschichte um ein Goldcollier, einen Löwen und einen Waisenjungen. Auch drei deutsche Filme werden in Ouagadougou gezeigt: Sibylle Dahrendorfs „Knistern der Zeit – Christoph Schlingensief und sein Operndorf in Burkina Faso“, „Drama Consult“ von Dorothee Wenner und Desirée von Trothas „Woodstock in Timbuktu“.

Vor 44 Jahren fand die Biennale zum ersten Mal statt: Damals traten gerade einmal 24 Filme an – heute sind es 101. Das FESPACO ist zur festen Größe für afrikanische Filmschaffende geworden. Man trifft sich, tauscht sich aus, wird entdeckt. Im Gegensatz zum Glitzer und Glamour der Berlinale oder den Filmfestspielen von Cannes ist die Atmosphäre in Ouagadougou völlig ungezwungen – nicht selten begegnet man den Schauspielern und Regisseuren zufällig im Café oder auf der Straße.

Afrikanisches Kino in finanzieller Dauerkrise

Ein Problem begleitet das Festival allerdings seit seinem Bestehen: Das afrikanische Kino kämpft seit jeher mit Unterfinanzierung und ist auf fremde Filmförderung und Koproduktionen mit dem Ausland angewiesen. Außerhalb des Kontinents sind die Filme kaum zu sehen, auf dem internationalen Markt machen sie gerade einmal drei Prozent aus. Auch das Festival selbst wird zu einem Großteil von der Europäischen Union finanziert. Ein Zeichen wollen die Veranstalter daher mit dem diesjährigen Motto setzen: „Afrikanisches Kino und öffentliche Kulturförderung in Afrika“. Zahlreiche Veranstaltungen widmen sich dem Thema, darunter eine Konferenz mit Politikern und Kulturschaffenden.

Angst vor Terror aus Nachbarland Mali

Überschattet wird das Festival von der Lage im Nachbarland Mali. Der malische Filmemacher Ibrahima Touré reist trotzdem nach Ouagadougou und zeigt seinen Film „Toiles d’araignée“ (Spinnennetz), in dem er die Geschichte eines jungen Mädchens erzählt, das sich gegen seine Zwangsheirat mit einem alten Mann wehrt. Burkina Faso befürchtet, das „größte Filmereignis der Welt“ (Financial Times Deutschland) könnte zur Zielscheibe für Angriffe malischer Islamisten werden. Die betrachten westliche Kultur – also auch Kino – als Sünde. Und spätestens seit dem blutigen Geiseldrama auf dem algerischen Ölfeld gelten Orte, an denen sich westliche Ausländer aufhalten, als besonders gefährdet. Zum Krisengebiet sind es von Ouagadougou aus nur rund 300 Kilometer. Vorsorglich haben die Organisatoren die Zahl der Veranstaltungsorte reduziert, Polizei und Gendarmerie ihre Sicherheitsmaßnahmen verstärkt. Kommissar Felix Tignegré und seine Truppe inspizieren Kinosäle und Hotels. Im riesigen Stadion „4. August“, wo die Eröffnung und die Abschlussfeier stattfinden, spricht Tignegré mit den Organisatoren. Seine Leute inspizieren das umliegende Gelände. „Wir haben tatsächlich einige sensible Punkte ausgemacht, die vor dem Festival noch mal geprüft werden müssen“, sagt Tignégré. „Vor allem im nördlichen Teil müssen wir Leute positionieren, weil sich in den Hecken und Bäumen Eindringlinge verstecken könnten.“

Eine neu gegründete Eliteeinheit soll während der Veranstaltung für Sicherheit sorgen. Die Polizisten wurden – unter anderem durch Spezialkräfte der französischen Polizei – ausgebildet für den Einsatz bei Geiselnahmen und Terroranschlägen. „Wir glauben, dass sie bestens ausgerüstet sind, damit wir uns sicher fühlen können“, erklärt Roger Zango, Generaldirektor der Polizei von Burkina Faso.

Ouagadougou fühlt sich also bereit für sein großes Filmfest – das Rennen um den goldenen „Hengst von Yennenga“ kann beginnen.

Quelle: DW.DE, 23.02.2013