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An der Seele reißen


Es gibt doch noch ein paar Wagner-Wunder nach dem ersten Bayreuth-Zyklus


Die WELT vom 01.08.2005. Von Reinhard Wengierek.


Als winziges, nervös flackerndes Flämmchen, so grüßt der große Außerirdische von hoch droben in der Finsternis des Alls, derweil von drunten aus gräulichem Dunkel in himmlischem Pianissimo Geigengezirp aufsteigt.

Ein derart betörender, dabei ganz einfacher Effekt, mit dem Keith Warner seine "Lohengrin"-Inszenierung eröffnet, ist nur in Bayreuth zu haben. Im eigens von Richard Wagner für seine Opern ertüftelten Festspielhaus: Ein Amphitheater mit eingebauter Neuheit, dem verdeckten Orchester - bis heute die weltweit singuläre opernbühnentechnische Sensation.

Unvergeßlich der Augenblick, da allein die glimmenden Notlichter über den Ausgängen den grauen Samtvorhang fahl schimmern lassen. So wirkt der gute alte Guckkasten wie ein magisches Auge, das hoheitsvoll aufs Auditorium schaut, derweil die Musik anhebt aus dunkler Stille - es gibt keinen Begrüßungsapplaus für nicht sichtbare Dirigenten. Klänge wie aus dem Nichts.

Soviel zum wundersamen, absolut Extraordinären von Bayreuth, das freilich flott sich relativiert, wenn Wagners großes Tamtam, seine schwelgerischen Modulationen, seine nervenzerfetzend erotische Dauer-Chromatik unterm Orchesterdeckel bloß klein-klein dahinblubbern. Und wenn oben im Guckkasten des Katastrophen-Dramatikers seine mythenschweren Geschichten von der ewigen Qual irdischen Sterbens und Werdens, von menschlicher Glücksgier und Erlösungssucht sich als bloß banale Betriebsunfälle abspielen. Dann fällt das Wunder aus.

Aber warum wenn nicht wegen eines Wunders mit Wagner-Künstlern sollte man - nach mindestens einem Jahrzehnt Wartezeit auf Karten - sommers auf den Hügel pilgern. Allein wegen der magischen Authentizität des Ortes einschließlich Wagner-Wohnung, Wagner-Grab? Für ein paar Tage, die unbedingt unvergeßlich sein sollen? Schließlich kann man längst allerorten Wagner gucken, wenn auch bei offenem Orchestergraben.

Nun, der Wunder-Index dieses 94. Festspiel-Jahrgangs schleppt sich so hin in Mittellage. Nach der obsessiv faden, endspielhaften "Tristan"-Premiere ohne nervenzerfetzende Schwelgerei aus "mystischem" Orchester-Abgrund der Reprisenzyklus mit "Lohengrin", "Holländer", "Tannhäuser", "Parsifal". Am Anfang das verheißungsvoll schwebende Flämmchen des Schwanenritters, am Ende ein gleißendes Lichtfenster, dem Parsifal entgegenschreitet, hinter dem aber wiederum ein Anfang steht, wieder ein Tal der Tränen, das zu durchwandern ist - so geht ewiglich das Menschendasein. Und zwischen besagten beiden Lichtzeichen 13 Stunden Musikdrama, lauter erste und letzte Fragen, lauter vor Liebe Verrückte, an ihrem Wähnen und Wollen Leidende, bis sie der Tod erlöst. Allein diese Monumental-Vorgabe ist ein Wunder, ein geschenktes. Weitere Wunder sind Schwerstarbeit.

Eins glückte dem Chormeister Eberhard Friedrich - wohl nirgendwo auf der Erde kommt uns Wagners Massengesang derart aufwühlend ins Ohr. Ein anderes gelang dem Dirigenten Christian Thielemann sowie den Solisten Stephen Gould, Ricarda Merbeth, Judit Nemeth mit "Tannhäuser". Die Inszenierung aus nicht kitschfrei gestylten Bildchen scheut philosophische Subtexte sowie Personenregie wie der Papst den Venusberg und führt geradezu ketzerisch vor, daß uns die ansonsten heftig quälende Frage, ob Regietheater oder Nicht-Regietheater, völlig wurscht wird, wenn nur das Musikalische derart hinreißend an der Seele reißt. Die Begeisterung steigerte sich zum Orkan, als der Dirigent sich mit seinen Musikern - viele der Hitze wegen in kurzen Hosen - auf der Bühne zeigte.



Pressestimmen und Kritiken zur Parsifal Inszenierung 2005

- "Den Mythos weitererzählen" - Frankfurter Rundschau vom 04.08.2005
- "Schönste Gelassenheit auf der Gerümpelbühne" - FAZ vom 01.08.2005
- "Fortdauernde Bewegung macht den Raum zur Zeit" - Stuttg. Nachr. 01.08.05
- "Viel Verstörung im Publikum" - Süddeutsche Zeitung vom 01.08.2005
- "Erlösung durch ewige Weltsehnsucht" - Der Standard vom 31.07.2005
- "Mythisches Netzhautflackern" - Der Tagesspiegel vom 31.07.2005
- "Weltabschiedswerk in heiterer Zartheit" - Fränkischer Tag vom 01.08.2005
- "Schlingensiefs Parsifal spaltet das Publikum" - dpa vom 30.07.2005
- "Lautstärke bei Schlingensiefs Show" - Die Presse vom 01.08.2005
- "An der Seele reißen" - Die WELT vom 01.08.2005
- "Punk-Poetin trifft Theater-Rebell" - Nordbayerischer Kurier vom 01.08.2005
- "Erlösungsutopie aus Kulturpessimismus" - Landshuter Zeitung




Materialübersicht zu Schlingensiefs Parsifal Inszenierung

- Parsifal Bildergalerie 2007 - Fotos der vierten und letzten Spielzeit 2007
- Parsifal Pressespiegel 2007 - Pressestimmen zur vierten und letzten Spielzeit
- Parsifal Pressespiegel 2007 (PDF) - Gesammelte Rezensionen als PDF-Datei
- "Schlingensief ist für mich der reale Tannhäuser" - Interview Philippe Arlaud
- Schlingensief träumt vom "Tristan" in Bayreuth - Schlingensief im Gespräch
-  "Meistersinger" 2007 - Radiokritik zu Katharina Wagners Debut in Bayreuth
- Probengalerie Parsifal 2007 - Fotos der Vorbereitungen zum Parsifal 2007
- Parsifal Bildergalerie 2006 - Fotos der dritten Parsifal Spielzeit 2006
- "Du hast mich inspiriert" - Interview K. Wagner / C. Schlingensief (23.07.07)
- "Opera Review" - A Personal Experience at Bayreuth by David W. Kline
- "Der erweiterte Wir-Begriff" - Boris Groys und Carl Hegemann zum Parsifal
- "Werkstatt Bayreuth" - Carl Hegemann zur Non-Rekralisierung
- "Begegnungen der vierten Art" - Schlingensiefs Zeitreisen, von Jörg v.d. Horst
- "Das Licht kommt von innen" - Jean-Marie Thiers zur Parsifalinszenierung
-  Boulez in Deutschlandradio - Pierre Boulez zur neuen Parsifalinszenierung
- Parsifal Bildergalerie 2005 - Fotos der zweiten Parsifal Spielzeit 2005
- "Alles schreit" - Notizen zur Parsifal-Inszenierung von Carl Hegemann
- "Der erweiterte Hasenbegriff" - Drei Essays zum Parsifal, div. Autoren
- "Wege zu Parsifal" - Kaum noch Illusionen über die Illusion. Von P. Boulez
- "Zum Raum wird hier die Zeit" - Ein Beitrag des Schriftstellers Peter Nadas
- "Der Todestag" - Christoph Schlingensief im Interview mit der FR (2004)
- "Weehee, Weheee" - Schlingensief im Interview mit dem Tagesspiegel (2004)
- "Ein metaphysisch obdachloser Metaphysiker" - Interview mit der SZ (2004)
- Parsifal Pressespiegel 2004 - Pressestimmen zur ersten Spielzeit 2004
- Parsifal Bildergalerie 2004 - Fotos der ersten Parsifal Spielzeit 2004
- Bayreuther Festspiele - Offizielle Homepage der Bayreuther Festspiele
- Parsifal Libretto - Libretto zu Richard Wagners Parsifal als Onlineversion

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- Schlingensief träumt
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   K. Wagners Debut

- Gespräch K. Wagner /
   C. Schlingensief (FR)

- Parsifal Review
   by David W. Kline

- Groys / Hegemann:
   Der erweiterte
   "Wir"-Begriff

- Carl Hegemann:
   Werkstatt Bayreuth

- Jörg van der Horst:
   Begegnungen der
   vierten Art

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   Frankreich: Das Licht
   kommt von innen

-  Pierre Boulez
   zum Parsifal 2005


- Carl Hegemann:
   Alles schreit

- Der erweiterte
   Hasenbegriff

- Peter Nadas: Zum
   Raum wird hier die Zeit

- Pierre Boulez:
   Wege zu Parsifal


- FR Interview mit
   Schlingensief (2004)

- Der Tagesspiegel
   Interview mit
   Schlingensief (2004)

- SZ Interview mit
   Schlingensief (2004)



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Parsifal
Inszeniert von Christoph Schlingensief
Bayreuther Festspiele
2004 − 2007

Dirigent: Pierre Boulez

Inszenierung:
Christoph Schlingensief

Chorleitung:
Eberhard Friedrich

Bühnenbild:
Daniel Angermayr, Thomas Goerge

Kostüme: Tabea Braun,
Aino Laberenz

Video:
Meika Dresenkamp, Monika Böttcher

Lichtdesign:
Voxi Bärenklau

Künstlerische Mitarbeit: Carl Hegemann

Darsteller:
Amfortas: Alexander Marco-Buhrmester; Titurel: Kwangchul Youn; Gurnemanz: Robert Holl; Parsifal: Alfons Eberz; Klingsor: John Wegner; Kundry: Michelle de Young; 1. Gralsritter: Clemens Bieber; 2. Gralsritter: Samuel Youn; 1. Knappe: Julia Borchert; 2. Knappe: Atala Schöck; 3. Knappe: Norbert Ernst; 4. Knappe: Miljenko Turk; Klingsors Zaubermädchen: Julia Borchert, Martina Rüping, Carola Guber, Anna Korondi, Jutta Maria Böhnert, Atala Schöck; Altsolo: Simone Schröder

Webredaktion:
Jörg van der Horst, Patrick Hilss