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"Zum Raum wird hier die Zeit"


Ein Erfahrungsbericht von Peter Nadas


Und nun nimmt etwas höchst Interessantes seinen Anfang, es geschieht etwas Phantastisches. Das ist es, wovon eigentlich erzählt werden soll.

Es läuft etwas ab, das äußerst schwer in Worte zu fassen ist, denn in dem Zustand, der dem Tod vorausgeht, verliert die herkömmliche Zeitrechnung nahezu ihre Gültigkeit. Ein großer Lichschalter wird betätigt, der Hauptschalter.




Womit Sehen, Wahrnehmen und Denken keineswegs aufhören. Jedoch knüpfen diese parallel ablaufenden Funktionen die neuerworbenen Eindrücke nicht an die üblichen Begriffen von Zeit.

Im Universum herrscht Zeit-Losigkeit. Man könnte es Allerlebnis nennen. Das wird vom Bewußtsein mit solcher Bereitwilligkeit akzeptiert, als hätte es nicht erst eine vorläufige Kenntnis davon, sondern wäre durch ein früheres Erlebnis damit vertraut. Durch dieses neue Wissen werden die kleineren Zeiteinheiten und -strukturen unterscheidbar, die irgendwann Zeitspuren im Bewußtsein hinterlassen haben, einer Zeit zugeordnet waren und es im All der Zeitlosigkeit schwebend noch immer sind. Deine einstigen Erlebnisse schweben als Schatten von Planeten mit dir.




Es wird nicht vollkommen dunkel. In der gleichmäßigen Dunkelheit herrscht eine seltsame, gewissermaßen abstrakte Dämmerung. Gegenstände und Konturen gibt es nicht mehr, der Gegenstand der Anschauung ist das Denken. Der Lichtmangel ruft ein nahezu heimeliges Gefühl hervor, während man, auf die Gegenständlichkeit der Gedanken angewiesen, darin schwebt. Mich jedenfalls traf er nicht unvorbereitet. Das Medium, in dem ich mein vergangenes Leben überblickte, befand sich samt seinem zeitlichen Gefüge im unübersehbaren All der Zeitlosigkeit. Wohin ich, sieh an, nun heimgefunden hatte. Alle bisher gefühlten Gefühle und Wahrnehmungen waren präsent, mit sämtlichen Geschmäcken und Gerüchen, jedoch ohne dass ich etwas davon spüren konnte. Mit dem Fühlen, Riechen und Schmecken, dem ganzen großen sinnlichen Theater, war es vorbei. Was aber nicht bedeutete, dass meine Gefühle inhaltsleer geworden waren. Ich erinnerte mich.

Anscheinend hatte ich mit dem Mechanismus des eigenen Denkens ein Leben lang ins Nichts gestarrt, das Allgefühl aber niemals richtig zur Kenntnis genommen. Mein Sehen kannte keine zeitlichen und räumlichen Grenzen mehr. Die Einzelheiten meines Lebens standen nicht mit der Geschichte meines eigenen Lebens in Zusammenhang. Eine solche Geschichte gibt es und gab es nämlich nicht. Was mich unendlich überraschte. Mir war, als würde ich plötzlich begreifen, was Rilke mit den stummen Engeln wollte, die uns über die Schlter schauen. Das rein sinnliche Erfassen hat mit seiner neutralen Anschauung immer schon von dort herübergesehen, von wo ich nun glücklich und verstummt zurückkehre.

Es begleitet mich.

Ich ertappe mich dabei, dass ich sehe, denke, aber nicht die beschränkten Gegebenheiten des Körperlichen registriere.




Der letzte Gedanke durchschaut die Struktur meines Bewußtseins.

Was eigentlich als traurige Vergänglichkeit aufzufassen wäre, beurteilt mein Intellekt mit größtmöglicher Kontemplation, denn es ist mit der Erfahrung der anderen nicht mehr zu vergleichen. Kein Gegenstand des Diesseits, ich suchte auch gar keinen, hätte diese unendliche Entzückung vermitteln können, nach der ich mich in meinem mit den anderen geteilten körperlichen Dasein immer unendlich gesehnt habe. Ich habe sie nie erlangt. Höchst amüsant und symptomatisch fand ich, dass ich die letzte Erfahrung mit niemandem würde teilen können. Mein Leben hat nur aus ein paar vom Glück begünstigten Augenblicken bestanden, in denen ich immer gefühlt habe, was es ist, dessen Nähe man suchen sollte.

Mit dieser Erkenntnis reißt es mich mit sich.

Jetzt geschieht es.

Das Ich wird zu dem, dachte ich noch, was früher ohne Körper war und nun auf ewig ohne Körper sein wird. Inzwischen wusste ich nicht nur, dass "jetzt" und "geschehen" bedeuten, dass ich sterbe, ich sah auch, wie die Lebenden im Namen ihrer unglücklichen Gemeinschaft fachgerecht und leidenschaftlich versuchten, mich in den Reihen der Ihren zu behalten.




Materialübersicht zu Schlingensiefs Parsifal Inszenierung

- Parsifal Bildergalerie 2007 - Fotos der vierten und letzten Spielzeit 2007
- Parsifal Pressespiegel 2007 - Pressestimmen zur vierten und letzten Spielzeit
- Parsifal Pressespiegel 2007 (PDF) - Gesammelte Rezensionen als PDF-Datei
- "Schlingensief ist für mich der reale Tannhäuser" - Interview Philippe Arlaud
- Schlingensief träumt vom "Tristan" in Bayreuth - Schlingensief im Gespräch
-  "Meistersinger" 2007 - Radiokritik zu Katharina Wagners Debut in Bayreuth
- Probengalerie Parsifal 2007 - Fotos der Vorbereitungen zum Parsifal 2007
- Parsifal Bildergalerie 2006 - Fotos der dritten Parsifal Spielzeit 2006
- "Du hast mich inspiriert" - Interview K. Wagner / C. Schlingensief (23.07.07)
- "Opera Review" - A Personal Experience at Bayreuth by David W. Kline
- "Der erweiterte Wir-Begriff" - Boris Groys und Carl Hegemann zum Parsifal
- "Werkstatt Bayreuth" - Carl Hegemann zur Non-Rekralisierung
- "Begegnungen der vierten Art" - Schlingensiefs Zeitreisen, von Jörg v.d. Horst
- "Das Licht kommt von innen" - Jean-Marie Thiers zur Parsifalinszenierung
-  Boulez in Deutschlandradio - Pierre Boulez zur neuen Parsifalinszenierung
- Parsifal Bildergalerie 2005 - Fotos der zweiten Parsifal Spielzeit 2005
- "Alles schreit" - Notizen zur Parsifal-Inszenierung von Carl Hegemann
- "Der erweiterte Hasenbegriff" - Drei Essays zum Parsifal, div. Autoren
- "Wege zu Parsifal" - Kaum noch Illusionen über die Illusion. Von P. Boulez
- "Zum Raum wird hier die Zeit" - Ein Beitrag des Schriftstellers Peter Nadas
- "Der Todestag" - Christoph Schlingensief im Interview mit der FR (2004)
- "Weehee, Weheee" - Schlingensief im Interview mit dem Tagesspiegel (2004)
- "Ein metaphysisch obdachloser Metaphysiker" - Interview mit der SZ (2004)
- Parsifal Pressespiegel 2004 - Pressestimmen zur ersten Spielzeit 2004
- Parsifal Bildergalerie 2004 - Fotos der ersten Parsifal Spielzeit 2004
- Bayreuther Festspiele - Offizielle Homepage der Bayreuther Festspiele
- Parsifal Libretto - Libretto zu Richard Wagners Parsifal als Onlineversion

Bayreuth Dossier

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   2007 als PDF


- Philippe Arlaud über
   Schlingensiefs Parsifal

- Schlingensief träumt
   vom "Tristan" in
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-  Deutschlandradio zu
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- Gespräch K. Wagner /
   C. Schlingensief (FR)

- Parsifal Review
   by David W. Kline

- Groys / Hegemann:
   Der erweiterte
   "Wir"-Begriff

- Carl Hegemann:
   Werkstatt Bayreuth

- Jörg van der Horst:
   Begegnungen der
   vierten Art

- Wagnerverband
   Frankreich: Das Licht
   kommt von innen

-  Pierre Boulez
   zum Parsifal 2005


- Carl Hegemann:
   Alles schreit

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   Hasenbegriff

- Peter Nadas: Zum
   Raum wird hier die Zeit

- Pierre Boulez:
   Wege zu Parsifal


- FR Interview mit
   Schlingensief (2004)

- Der Tagesspiegel
   Interview mit
   Schlingensief (2004)

- SZ Interview mit
   Schlingensief (2004)



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Externe Links

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Parsifal
Inszeniert von Christoph Schlingensief
Bayreuther Festspiele
2004 − 2007

Dirigent: Pierre Boulez

Inszenierung:
Christoph Schlingensief

Chorleitung:
Eberhard Friedrich

Bühnenbild:
Daniel Angermayr, Thomas Goerge

Kostüme: Tabea Braun,
Aino Laberenz

Video:
Meika Dresenkamp, Monika Böttcher

Lichtdesign:
Voxi Bärenklau

Künstlerische Mitarbeit: Carl Hegemann

Darsteller:
Amfortas: Alexander Marco-Buhrmester; Titurel: Kwangchul Youn; Gurnemanz: Robert Holl; Parsifal: Alfons Eberz; Klingsor: John Wegner; Kundry: Michelle de Young; 1. Gralsritter: Clemens Bieber; 2. Gralsritter: Samuel Youn; 1. Knappe: Julia Borchert; 2. Knappe: Atala Schöck; 3. Knappe: Norbert Ernst; 4. Knappe: Miljenko Turk; Klingsors Zaubermädchen: Julia Borchert, Martina Rüping, Carola Guber, Anna Korondi, Jutta Maria Böhnert, Atala Schöck; Altsolo: Simone Schröder

Webredaktion:
Jörg van der Horst, Patrick Hilss